Jedes Unternehmen ist dazu verpflichtet, in regelmäßigen Abständen eine Bilanz aufzustellen und darin sämtliche Vermögenswerte transparent darzustellen. Insbesondere in Handelsunternehmen sowie dem produzierenden Gewerbe ist es mit dem Nachweis aller Vermögensgegenstände doch etwas schwieriger. Während sich Lizenzen, Schutzrechte oder Forderungen durch Aufstellen von Saldenlisten (sog. Buchinventur) nachweisen lassen, braucht es für materielle Vermögensgegenstände ein tatsächliches Zählen, Wiegen oder Messen.
Damit die Finanzbehörden etwaige Angaben überprüfen oder Wirtschaftsprüfer ihr Testat geben können, braucht es einheitliche Regeln zur Durchführung der Inventur. Der Begriff selbst leitet sich vom Lateinischen ab: „invenire“ steht für „etwas finden“, „inventarium“ lässt sich mit „Gesamtheit des Gefundenen“ übersetzen. Die Inventur entspricht damit einer Bestandaufnahme, also einer Gegenüberstellung von Vermögenswerten sowie Schulden zu einem konkreten Datum (sog. Stichtag).
Kurzum: Die Inventur muss regelmäßig, in einer anerkannten Form, nach klaren Regeln, einer konkreten Benennung und vollständig durchgeführt werden. Das Fehlen einer körperlichen Bestandsaufnahme führt gemäß Abschnitt R 5.3 Abs. 3 EStR zur Nichtigkeit der Bilanz.
Es gibt verschiedene Arten der Inventur mit denen es gelingt, einen Überblick über sämtliche relevanten Gegenstände zu ermöglichen. Wie eingangs erwähnt, braucht es je nach Vermögenswert andere Ansätze, um den Wert für das Aufstellen der Bilanz zu beziffern.
Vermögensgegenstände wie Computer, Drucker, Bleistifte, Handheld-Terminals, Etiketten o.ä., also alles, was physisch vorhanden ist, wird entweder gewogen, gemessen oder gezählt. Bei vielen Kleinteilen ist explizit eine Schätzung erlaubt, vor allem dann, wenn der Aufwand für eine exakte Bestimmung unwirtschaftlich wäre oder gar unmöglich ist.
Alle Dokumentationen, die im Rahmen der Finanzbuchhaltung gegeben sind, werden durch die sog. Buchinventur als Bestandsaufnahme erfasst. Dabei geht es um Forderungen, Verbindlichkeiten oder Guthaben bei Banken – sie ergeben sich aus der Vorlage von Belegen, Kontoauszügen, Quittungen, Saldenlisten oder Rechnungen.
Anstelle einer körperlichen Bestandsaufnahme erfolgt die Anlageninventur in Form eines Anlagenverzeichnisses, aus dem sich Werte für die Betriebs- und Geschäftsausstattung, den Fuhrpark oder Maschinen ergeben. Dabei muss der Gegenstand genau bezeichnet werden, zudem sind Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die Nutzungsdauer, der Bilanzwert am Bilanzstichtag, die Höhe der jährlichen Abschreibung sowie der Tag des Zu- und Abgangs erfasst.
Wichtig: Alle Differenzen, die im Rahmen der Inventur dokumentiert werden, sind unmittelbar in die Gewinn- und Verlustrechnung einzubeziehen. In der Fachsprache ist auch von Inventurdifferenzen die Rede.
Gemäß § 241 HGB existiert ein Inventurvereinfachungsverfahren, was es Unternehmen ermöglicht, die Inventur mithilfe „anerkannter mathematisch-statistischer Methoden“ sowie aufgrund von Stichproben zu ermitteln. Das ist immer dann möglich, wenn der „Aussagewert“ jenem der körperlichen Bestandsaufnahme gleichkommt.
Das bedeutet: Die Inventurarten, die hierfür in Frage kommen, sind klar definiert.
Anstelle der Stichtagsinventur, also der „klassischen“ Inventur am Ende eines Berichtszeitraums, existieren damit drei weitere Verfahren, die im Folgenden dargestellt werden:
Beschränkung aus ausgewählte sowie repräsentative Stichproben im Sinne von Zufallsstichprobenverfahren. Nach Erhebung erfolgt eine Hochrechnung auf den Gesamtbestand, der Stichprobenfehler darf maximal ein Prozent der Grundgesamtheit betragen. Lediglich anerkannte mathematisch-statistische Verfahren wie die Mittelwertschätzung kommen dafür in Betracht.
Sofern ein Lagerbuch als auch eine saubere Dokumentation von Zu- und Abgängen vorliegt, kann eine Totalerfassung im Sinne einer permanenten Inventur erfolgen. Voraussetzung dafür ist, dass mindestens einmal pro Geschäftsjahr eine körperliche Inventur durchgeführt wird – und ein Vergleich zwischen Sollbestand der Lagerbuchführung mit dem Istbestand erfolgt.
Der Vorteil: Bestandaufnahmen müssen nicht gleichzeitig erfolgen, sondern lassen sich zeitlich verteilen. Eine Basis auf Grundlage einer Stichprobe oder eines repräsentativen Querschnitts ist jedoch gestattet.
Wenn, unabhängig vom Grund, eine Bestandsaufnahme zum Stichtag nicht möglich ist, kommt eine vor- oder nachverlegte Inventur infrage. Dazu muss eine körperliche Inventur an einem Tag innerhalb der drei Monate vor oder innerhalb der zwei Monate nach Bilanzstichtag erfolgen. Auf diese Weise ermittelte Bestände werden hinsichtlich Ihres Wertes fortgeschrieben oder rückgerechnet.
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